Trakl
Verklärter Herbst
Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl (*
3. Februar 1887 in
Salzburg,
Österreich; †
3. November 1914 in
Krakau,
Galizien) war ein
österreichischer Lyriker des
Expressionismus mit starken Einflüssen des
Symbolismus.
eb
Den roten, den braunen Blättern verwandt
Ins schwindende Licht, zum Hauch des Lebens gewandt.
Haftende Knotung - noch lässt sie sich nicht.
Die alt gewordene Kraft leuchtet in Farben der Fülle,
nahende Wanderschaft weht welkende Hülle
ins herbstnasse Gras
Freiheit – auch das!
18.10.1994 Buttenhausen, eb
Rilke
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke (*
4. Dezember 1875 in
Prag; †
29. Dezember 1926 im
Sanatorium Valmont bei
Montreux,
Schweiz; eigentlich
René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke) war ein
österreichischer Autor und einer der bedeutendsten
Lyriker deutscher Sprache. Daneben verfasste er Erzählungen, einen Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen von Literatur und Lyrik unter anderem aus der
französischen Sprache. Sein umfangreicher Briefwechsel bildet einen wichtigen Bestandteil seines literarischen Schaffens.
Hesse
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Hermann Hesse (Hermann Karl Hesse; Pseudonym: Emil Sinclair; * 2. Juli 1877 in Calw; † 9. August 1962 in Montagnola, Schweiz) war ein deutsch-schweizerischer Dichter, Schriftsteller und Freizeitmaler. Seine bekanntesten literarischen Werke sind Der Steppenwolf, Siddhartha, Peter Camenzind, Demian, Narziß und Goldmund und Das Glasperlenspiel, welche die Suche des Individuums nach Spiritualität außerhalb der Gesellschaft zum Inhalt haben.
Ihm wurden unter anderem 1946 der Nobelpreis für Literatur und 1955 die Friedensklasse des Ordens „Pour le Mérite“ verliehen.
Mörike
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
Im warmen Golde fließen.
Eduard Friedrich Mörike (* 8. September 1804 in Ludwigsburg; † 4. Juni 1875 in Stuttgart) war ein deutscher Lyriker der Schwäbischen Schule, Erzähler und Übersetzer sowie evangelischer Pfarrer.