Kurzandacht 23.4.09 Marienkirche EG 481, 1-3/4+5
Sei nur stille zu Gott, meine Seele. Denn er ist meine Hoffnung. Ps. 62,6 Losung für heute
Unter diesem Stichwort will ich uns heute erinnern an Meister Eckhart: Es war sein Thema. Sei nur stille zu Gott, meine Seele.
Eckhart von Hochheim wurde - ganz genau weiß man es nicht - um 1260 geboren. Er trat schon als Junge in das strenge und asketische Dominikanerkloster in Erfurt ein, wurde Prior des Klosters und Vikar aller Dominikanerklöster in Thüringen. Man schickte ihn - und das war eine ungewöhnliche Auszeichnung - zweimal nach Paris, an die berühmte Sorbonne, wo er zunächst als Lektor, dann als geachteter Magister auf Lateinisch lehrte und stritt. Auffällig ist, dass er auch in der Volkssprache des Deutschen predigte und lehrte, wenn er Klöster besuchte, besonders in Südwestdeutschland, im Elsass und in der Schweiz. Schließlich lehrte er als eine Art Studiendirektor an der Ordenshochschule zu Köln. Im Jahr 1326 leitete der Erzbischof Heinrich von Virneburg in Köln ein Inquisitionsverfahren gegen Meister Eckhart ein. Meister Eckhart appelliert an den Papst als letzte Rechtsinstanz. Schon weit über sechzig Jahre alt, macht er sich auf nach Avignon, wo der Papst residierte. Das Urteil allerdings erlebt er nicht mehr, jene Verurteilung von siebzehn Sätzen, die als häretisch deklariert werden und von elf Sätzen, die als der Häresie verdächtig gelten. Über die Verhandlungen, die zu diesem Urteil führten, ist Meister Eckhart gestorben, man weiß bis heute nicht genau wann und wo. Das Urteil der Inquisition hat Gültigkeit bis heute - ein Skandal, eine Verletzung, die bis heute nicht geheilt ist. Aber der verketzerte Meister ist heute über konfessionelle und kulturelle Grenzen hinaus eine Leitfigur geworden.
„In allem steckt dein Ich und sonst ganz und gar nichts.“ kann er sagen. „Es ist dein Eigenwille, wenn du's auch gar nicht weißt... Darum fang zuerst bei dir an und lass dich. Wohin du sonst fliehen magst, da wirst du Hindernis und Unfrieden finden. Die Leute, die da Frieden suchen in äußeren Dingen, wie eindrucksvoll oder was es auch sei - das ist alles nichts und gibt keinen Frieden... Aber was soll der Mensch denn tun? Er soll zuerst sich selber lassen, dann hat er alles gelassen. Denn wer seinen Willen und sich selber lässt, der hat alle Dinge wirklich gelassen. Richte dein Augenmerk auf dich selbst, und wo du dich findest, da lass ab von dir; das ist das Allerbeste.“
Gelassenheit, nicht stoisch, weltfern oder gar weltverächtlich, sondern durchaus leidenschaftlich.
Lass doch mal deine ganze Ich-Aktivität, deine Sorgen und deine Nöte, lass das doch mal alles los! Da ist noch etwas im Hintergrund, das du nur erfährst, wenn du loslässt.
(Und selbst dann noch lassen! In einem mystischen Text aus der Tradition des Franz von Assisi heißt es: „ Ich weiß einen Menschen, der Gott so klar geschaut hat, dass er allen Glauben verlor.“ (Sölle, Mystik und Widerstand, S. 115) )
Das ist der Kern der Mystik und Mystik sei die Zukunft unseres Glaubens sagen so unterschiedliche Leute wie Karl Rahner, Dorothee Sölle und Jörg Zink.
Noch einmal Meister Eckhart:
„Der Mensch soll Gott in allen Dingen ergreifen und soll sein Gemüt daran gewöhnen, Gott allzeit gegenwärtig zu haben im Gemüt. Diese Gestimmtheit behalte und trage sie unter die Menge und in die Unruhe und in die Ungleichheit. Du sollst in allen Werken ein gleichbleibendes Gemüt haben und ein gleichmäßiges Vertrauen und eine gleichmäßige Liebe und einen gleichbleibenden Ernst. Wahrlich, wärest du so gleichmütig, so würde dich niemand hindern deinen Gott gegenwärtig zu haben.“
Was Eckhart "Gelassenheit" nannte, wird heute sogar von der modernen Hirnforschung als "Frequenz der Stille" wieder entdeckt.
Es ist das, was unser Psalmwort beschreibt:
Sei nur stille zu Gott, meine Seele. Denn er ist meine Hoffnung.
Im Getriebe der Zeit, in aller Hetze und Aufregung so still werden und Gott gegenwärtig haben für uns und für die Menschen mit denen wir leben. Ich wünsche es uns.
Gerhard Tersteegen:
Herr. lass schweigen, was du nicht selbst in mir redest
lass still stehen, was du nicht selbst bewegst
nimm die Stelle ganz eim, die jetzt ich bin,
und tue in mir und durch mich, was dir gefällt.
Lass dieses Ich untergehen
und sei du allein alles in allem
Führe so mich ganz aus mir selbst
und aus dem meinen heraus in dich
o mein Gott, mein Ursprung und mein Ziel
So bin ich nicht mehr im Schein, sondern im Wesen,
von allem Übel erlöst und befrei
und ehre und verherrliche dich allein.