Sibylle Thelen schreibt über die Gesichter der neuen Türkei (Vorwort von Feridun Zaimoglu). Das Buch enthält interessante Kapitel u.a. über die sehr dynamische Literatur-, Musik- Medienszene der Türkei.
Besonders spannend für mich die Beschreibung der beginnenden Auseinandersetzung mit der Tabugeschichte der Vertreibung und Vernichtung der Armenier 1915. Da gibt es den wichtigen Hinweis auf das Buch von Fethiye Çetin: Anneannem (meine Großmutter),
das es m.W. noch nicht in deutscher Übersetzung gibt. Falls doch, bitte ich um Nachricht!
Fethiye Çetin vertritt als Rechtsanwältin die Familien des ermordeten Schriftstellers Hant Drink. Ihre Großmutter Seher stammte ursprünglich aus war armenischer Absstammung, hat die Tötung der armenischen Männer und die Verschleppung der Frauen und Kinder in Ostanatolien miterlebt und wurde wie viele damals muslimisiert und türkisiert. Nach 60 Jahren hat sie ihrer Enklein ihre Gechichte erzählt. Deren Buch, 2004 in der Türkei erschienen, wurde in zwei Jahren 20 000 Mal verkauft: angesichts des verbotenen Themas eine enorme Zahl!


Sibylle Thelen
Istanbul-Stadt unter Strom
Herder 3009
€ 14,90

Sibylle Thelen, geboren 1962 in Stuttgart, hat in München Politologie, Turkologie und Kommunikationswissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule besucht. Nach dem Abschluss war sie ein Jahr lang als freiberufliche Journalistin in der Türkei tätig. Sie arbeitete beim Süddeutschen Rundfunk als Nachrichtenredakteurin, bevor sie zur Stuttgarter Zeitung kam, zunächst als Politikredakteurin mit dem Arbeitsgebiet Tarifpolitik. Heute ist Sibylle Thelen leitende Redakteurin der Wochenendbeilage.