BRAUN.REUTLINGEN
das gibts  
  wer
  wo
  beziehungen
  klärle
  Yannick
  predigten
  eigenes von eb
  anderes von anderen
  bücher filme etc.
  an-, ein- und aussprüche
  => Karl Napf
  => Laki-Kreuz nix für OK
  => Theologinnen und Theologen zu „Stuttgart 21“
  => Schmetterling und die Folgen
  => Synode November 2010
  => Weihnachtsbeleuchtung
  => Ostdenkschrift
  => Abram,Sarai,Hagar,Ismael
  => steine statt menschen
  => Bahnhofsbesetzung
  kontakt
  gästebuch
  guck mal
  bilder
  archiv
Abram,Sarai,Hagar,Ismael
Am 29. Mai 2009 schrieb eb

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Leicht,

am Samstag, 23.5. saß ich auf dem Kirchentag in der Glocke und hörte Ihre Bibelarbeit zu Gen 16. Erlauben Sie mir dazu ein paar Fragen:
• Ist mein Eindruck falsch, dass Sie mit dem Text Mühe hatten und nicht richtig wussten, was Sie mit ihm anfangen sollten?
• Kann es sein, dass Sie das Thema Israel und Palästina, arabisch-muslimische Welt und christlich-jüdische geprägte Welt nicht angehen wollten?
Ismael: Ein wilder  Mensch, mit allen im Streit, sein Brüdern zum Trotz wohnend: das könnten ja die Hamas-Terroristen sein und die islamischen Fundamentalisten und Terroristen von Al Quaida!
Die Völker des Nahen Ostens jedenfalls waren schon von Anfang in unerträglicher Spannung.  Und: Es gibt auch die Verheißung an diesen Sohn Abrahams „ich will deine Nachkommen so mehren...“

Die Herausforderung wäre doch im interkulturell-interreligiösen Horizont diese Spannung zu reflektieren und unter den „Söhnen Abrahams“ zur Sprache zu bringen. Am Grab Abrahams stehen sie ja dann beieinander! Die Aufgabe, die heute viele „Patchwork-Familien“ haben,
jeweils andere Herkünfte, genetische Dispositionen und verschiedene Sozialisationen in einen neuen Ganzen zu verbinden, in einer Familie, in der alle vernünftig und friedlich mit einander leben können, betrifft auf einer anderen Ebenen auch die Ethnien und religiösen Gruppen. Welche Modelle und Optionen gibt es?
Ich finde, es ist ein hochspannender Text, der da für die Bibelarbeit gewählt wurde. Und ich ahne durchaus das Motiv für die Auswahl gerade dieses Textes! Schade, dass es bei Ihnen offensichtlich nicht so war. Vielleicht hab ich Sie ja aber einfach nicht richtig verstanden! Ich wollte Ihren Text herunterladen, um meine Wahrnehmung noch einmal zu überprüfen, aber er ist wohl nicht verfügbar.

Nix für ungut
Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Eberhard Braun

angefügt: Kommentar im Kirchentagsbericht für die Homepage der Offenen Kirche Württemberg:

Ich wollte ihn mal kennenlernen, den langjährigen Chefredakteur der ZEIT, den kirchenkundigen Leitartikler und EKD-Synodalen Dr. h.c. Robert Leicht. Also auf in die Innenstadt in die Glocke, das Bremer Konzerthaus mit Orgel. Da spielt gerade einer und es stellt sich heraus: es ist der Meister selbst, der dann auch nach Begrüßung und Eröffnung den Eingangschoral begleitet: Lobet den Herren.

Und dann: in leicht verhuschter Artikulation, fast nebenbei gelesen, der – wie ausdrücklich betont – vorgegebene Text, die Geschichte von Ismaels Zustandekommen, eine 3000 Jahre alte Beziehungskiste.
Witzig gemeinte Bemerkungen über gynäkologische Probleme, die Schwierigkeiten des Kinderzeugens und -kriegens im Allgemeinen früher und im Besonderen heute, extrakorporale Konzeption,  Leihmutterschaft etc. dazu ein Exkurs über die unbefleckte Empfängnis und das Verständnis der Jungfrauengeburt in der heutigen Theologie. Comédie und tragédie humaine! Bis dahin ist alles ganz nett. Dann greift der Bibelarbeiter zurück auf den Beginn der Abrahamsgeschichte, die Verheißung von Land und Nachkommen und den damit verbundenen Segen. Da assoziiere er immer „viel Glück und viel Segen“, ob denn  jemand da sei, der heute – nein, da ist keine(r), dann vielleicht während des Kirchentags? – Gott sei Dank geht jetzt unter den vielleicht 500 Leuten eine Hand hoch, es hat tatsächlich jemand Geburtstag! Dem singen wir jetzt stehend den Kanon:“Viel  Glück und viel Segen“. Beifälliger Beifall!
 Kaum sitzen wir wieder, fällt ihm zu dem nach oben gerichteten Blick Abrahams ein, dass dort  der Sternenhimmel ist und so zahlreich sollen ja seine Nachkommen sein. Da muss man doch denken an das uns allen aus Kindertagen vertraute „Weißt du wieviel Sternlein stehen“! Wir kennens, auch wenn wir nicht alle Verse richtig können. Wir singens – wieder stehend -  und freuen uns, dass wir am Ende wieder richtig beieinander sind: „Kennt auch dich und hat dich lieb!“ Es folgt ein etwas wirres Räsonnement darüber, was wohl die Kirchentagsleitung dazu bewogen  haben könnte ausgerechnet diesen Text vorzulegen? Wir wissen es nicht! meint Herr Leicht und ich würde ihm jetzt ihm nachhinein raten ein paar Bibelarbeit-Kolleginnen oder Kollegen zu befragen, deren Bibelarbeiten zu diesem Text auf der Kirchentagswebseite abzurufen sind: Dort stehts nämlich!
Aber nun sei Abram, der ja jetzt Abraham heiße, ein Vorbild im Glauben, das sage auch Paulus und er seis nicht, weil er immer geglaubt habe, er habe schon auch Zweifel gehabt, aber doch immer wieder Gott vertraut und das sei schön und Luther sage: Nicht weil du schön bist, liebt dich Gott, sondern weil Gott dich liebt, bist du schön.
Schön!
Und irgendwann dann, lange vor der Zeit das Amen, gefolgt von einem langen, von mir ganz und gar nicht nachvollziehbaren Beifall. Denn ich bin tief enttäuscht von einem, den ich für ein Kirchenlicht in der bundesdeutschen Presselandschaft gehalten hatte.
Fassungslos aber bin ich darüber, dass jemand in dieser geschichtlichen Lage und auf einem Kirchentag, der den interreligiösen Dialog als Herausforderung annehmen wollte, gar nicht erkennt oder nicht erkennen will, wie sehr sich die Spannungen zwischen der jüdisch-christlichen und der islamisch geprägten Welt in diesem Text spiegeln und in ihm angelegt sind:
Hagar, die Ägypterin, die den Ismael gebiert, den Stammvater der arabisch-muslimischen Volker und Gläubigen. Herabsetzung, Verachtung, Hass, unversöhnliche Feindseligkeit im Nahen Osten mit allem Drum und Dran! Vertreibung, Gefährdung und die auch dem Ismael gegebene Verheißung!
In welcher Welt lebt einer, der beim Lesen dieses Textes das nicht einmal sieht, geschweige denn davon reden kann?
Bremen, 24. 5. 2009 eb

Am 04.06.2009 um 18:32 schrieb Robert Leicht:

Sehr geehrter Herr Braun,
zu den verschiedenen Themen des Nahen Ostens, der Völker, der Religionen - da gäbe es gewiss viel zu sagen.
Das ist für mich vor einer Bibelarbeit nicht die Frage, sondern ausschließlich: Was ist das Thema genau dieses Textes, was will er? Nicht: Was will ich oder was will ein anderer meiner Zuhörer? Für mich heißt Interpretation eines biblischen - ja, eines jeden Textes - nicht, worüber würde ich gerne reden, sondern: "Worüber will der Text reden?" Und Genesis 16 ff will eben nicht über das Verhältnis der verschiedenen Völker, gar der Religionen im Nahen Osten reden - sondern um es so genau wie fundamentalistisch genau zu sagen: über das Verhältnis von Abram und Sarai (und natürlich Hagar) zu diesem ihrem Gott in diesem ihren spezifischen Lebensabschnitt. Das Thema ist das Gottvertrauen und das Schwanken in ihm, der Versuche, seinen Wegen eine eigenmächtige Wendung zu geben.
Das könnte ich Ihnen nun im Einzelnen aus der Textschichtung, der Gattungs- und Literaturgeschichte säuberlich belegen (und übrigens aus den Fragwürdigkeiten der verschiedenen Ätiologien) - aber das stellen wir erst einmal zurück, bis Sie mir die viel wichtigere Frage beantwortet haben: Welche "Botschaften"und Handlungsanleitungen hätten Sie denn aus dem Textabschnitt - und, bitte, nur aus dem Text und nicht etwas aus Ihren eigenen wie immer berechtigten gegenwärtigen Ansichten zum Nahen Osten - für die politische und religionspolitische Gegenwart gewinnen wollen? (Einmal abgesehen davon, dass "die Araber"  der Thora nie ein Thema waren und keiner genau sagen kann, wie sich in diesen Texten die "Hagariten" (möglicherweise die Nachkommen der Hagar) zu den "Ismaeliten" verhalten - aber lassen wir diesen allzu genauen Blick in die Texte...)
Wissen Sie, was herauskäme, wenn man den Text gewaltsam in diese Richtung auslegte? Die Juden (sprich: Abram) haben Ismael (und die Ismaeliten, also die Nicht-Juden, als Leute, die nicht im Frieden mit ihren Brüdern leben können) ausgestoßen in die tödliche Wüste, und haben sich dazu auch noch auf göttlichen Rat berufen (via Sarai) - und mit dieser Aussage soll ich als Christ gegenüber Juden und als Deutscher gegenüber Israel anfangen?? Etwa noch mit der Stoßrichtung. Zwar haben wir Deutschen und Christen die Juden ausgestoßen - aber das haben die Juden mit den Ismaeliten ja auch getan??? Wenn eine Bibelarbeit zuerst nichts als den Text zur Geltung bringen soll, würden Sie zwangaläufig auf diese Schiene geführt - sofern Sie sich auf den Irrtum einlassen wollten, dass der Text überhaupt über das Verhältnis von Israel zu den Arabern reden will - und nicht etwa, aber siehe oben...

Sehr geehrter Herr Braun, natürlich geben Texte immer wieder verschiedene Perspektiven auch dann frei, wenn man sich genau an ihre Stoßrichtung hält... Aber bevor Sie mir voller Spott tumben Unverstand vorhalten, könnten Sie sich ja auch fragen, ob der blinde Fleck wirklich beim Ausleger war. Und wenn Sie schon Ihre wie ich finde ziemlich grundlose Polemik gegen meine Bibelarbeit auf eine Website stellen, wäre es mindestens ein Gebot der Fairness, diese meine Replik dazuzustellen.

Nichts für ungut und freundliche Grüße
Ihres
Robert Leicht  

Am 5. Juni 2009 schrieb eb

Sehr geehrter Herr Leicht, ich danke für Ihre prompte Antwort, die mich, wie Sie vielleicht verstehen werden, nicht wirklich befriedigt.
Ich muss Ihnen deutlich widersprechen, wenn Sie sagen "Genesis 16 ff will eben nicht über das Verhältnis der verschiedenen Völker... reden - sondern ... über das Verhältnis von Abram und Sarai (und natürlich Hagar) zu diesem ihrem Gott in diesem ihren spezifischen Lebensabschnitt." Etwas merkwürdig berührt mich dabei die Formulierung "fundamentalistisch genau"! Ich kann nicht verstehen, was Sie damit meinen und ausdrücken wollen!? Ironie?
In der Sache widerspreche ich Ihnen übrigens nicht allein, sondern zum Beispiel mit dem Alttestamentler Jürgen Ebach, der in seiner Bibelarbeit sagte: "Unser Text enthält viele Dimensionen – fast zu viele für eine Bibelarbeit. .....Da ist der dramatische Konflikt in einer Familie, bei dem Männer- und Frauenrollen ebenso Beachtung fordern wie die von Herrin und Sklavin. Da ist eine Exodusgeschichte lange vor der, die vom Auszug Israels aus dem ägyptischen Sklavenhaus erzählt. Da ist die Geschichte einer ganz besonderen Begegnung, in der es um das Hören und das Sehen Gottes geht. Da ist die Perspektive der verschiedenen Völker, die von dem einen Abraham abstammen und – von der Völkerperspektive noch einmal zu unterscheiden – die der „abrahamitischen Religionen“.

Ebach gibt zugleich auch eine Antwort, die ich nachvollziehen kann auf Ihre Fragen nach "Botschaften und Handlungsanleitungen ...aus dem Textabschnitt", wenn er sagt:

"Und wem gehört dieses Land? Bekanntlich stehen da bis heute unterschiedlich begründete Ansprüche gegeneinander. Wo Abraham lebte, ist Israels Land, ist der eine – wo die Fahne des Propheten wehte, der andere. Erwarten Sie, liebe Zuhörende, von mir jetzt keine schlüssige Klärung dieser Frage! Wo soll eine Metatheorie herkommen, die es vermöchte, die kontroversen Ansprüche zu klären, zumal wenn sie religiös letztbegründet sind? Zudem sind Christen und noch einmal Deutsche kaum berufen, hier als Lehrmeister aufzutreten. Eine flächendeckende Antwort will ich daher gar nicht versuchen. Aber vielleicht gibt uns unser Text nebst dem vorangehenden Kapitel einige Hinweise. Er verweigert sich nämlich jeder einseitigen Vereinnahmung. Das Land gehört Abrahams Nachkommen – nicht weniger und nicht mehr. Die Verheißung an Isma’el bedeutet, dass auch der Außenseiter ein Lebensrecht hat und ein Recht, in seiner Weise zu leben."

Auch Fulbert Steffensky kann sagen:
"Die Erzählung spiegelt die spätere Auseinandersetzung des israelitischen Volkes mit den Nachbarvölkern wider. Es gab die Stammesgruppe der Hagariter, die in kriegerischer Beziehung zu Israel stand. Der Psalm 83 (V.7) klagt über die Feinde Israels, „die in den Zelten von Edom und Ismael wohnen, Moab und die Hagariter“. In der Josefsgeschichte sind die Ismaeliter daran beteiligt, Josef, den Lieblingssohn Jakobs, nach Ägypten zu verkaufen. In der dauernden Auseinandersetzung der Israeliten mit ihren Feinden, zu denen also auch die Nachfahren Ismaels gehören, ist nicht vergessen, dass auch diese Söhne und Töchter Abrahams sind. Es gibt eine Erfahrung: die Feindschaft zwischen den Nachkommen Isaaks und denen Ismaels. Und es gibt eine die Feindschaft störende Erinnerung: Der schwangeren Hagar ist der Engel Gottes erschienen. Dass die Ismaeliten ein großes Volk geworden sind, ist die Einlösung des Versprechens des Engels: „Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.“

Jörg Zink schließlich weist darauf hin,  dass Hagar nach muslimischer Tradition mit Ismael zusammen die Kaaba in Mekka eingerichtet habe und in Mekka die Grabstätten von Hagar und Ismael verehrt werden. Er gibt m.E. eine schlüssige Antwort auf die von Ihnen in Ihrer Bibelarbeit gestellten Frage:
"... warum wohl mag der Kirchentag uns für den heutigen Morgen diese so unendlich weit entfernte Geschichte verordnet haben? Offenbar soll diese Geschichte uns außer zur ersten Aufgabe unserer Kirche in dieser Zeit, dem Umgang mit den Gotteserfahrungen, noch an eine zweite aktuelle Aufgabe, die heute der Kirche gestellt ist, heranführen. Und das tut sie tatsächlich....Und das ist das Thema, das uns heute vor den Füßen liegt und das wir aufzunehmen haben. Es ist ein Thema von großem Gewicht: Wer ist denn der Gott, der in anderen Religionen angebetet wird? Ist es im Islam der Gott, den wir im Alten Testament finden? Oder gar im Evangelium? Und was ist denn an Gott so verschieden, dass ein gemeinsames Gebet zwischen einem Moslem und einem Christen so ganz undenkbar ist? Ist Gott verschieden? Oder sind es zwei Götter? Oder ist es nur das Bild, das wir Menschen uns von Gott machen, das so verschieden ausfällt? Und wenn wir sagen: Es ist nur ein Gott, wird dann ein Moslem denselben Gott erreichen wie wir, auch wenn er ihm einen anderen Namen, nämlich Allah, gibt, was eigentlich nur so viel heißt wie „Gott“?...Am Dringlichsten ist eine Allianz mit dem Islam. Den Widerstand des Islam gegen die christliche Welt, den wir Terrorismus nennen, werden wir anders nicht überwinden. Und vielleicht denken wir hin und wieder daran, wie die drei monotheistischen Religionen in den Ursprüngen miteinander verwandt sind, wie es unsere kleine Kriminalgeschichte von Hagar und ihrem Sohn ausmalt. Dass es also Wege geben muss, zu einem gemeinsamen Tun und Verantworten..."
 
Ausdrücklich zustimmen will ich Ihnen, wenn Sie schreiben: "Das Thema ist das Gottvertrauen und das Schwanken in ihm, der Versuch, seinen Wegen eine eigenmächtige Wendung zu geben."
In der Tat und das auf allen Ebenen - also der persönlichen, des individuellen Lebensweges als ein Ruf zum Gehorsam für Abram, Sarai und Hagar, der Verheißung zu folgen, zu vertrauen und den Platz einzunehmen, den nicht sie selbst gesucht haben, sondern den Gott ihnen zugewiesen hat.
Und dann - auf der Ebene derer, die sich als Sippen-, Stammes-, Volks- oder Religionsgemeinschaften auf die großen Vorfahren berufen und sich von ihnen herleiten - als ein Ruf aus der Geschichte Wegweisung in den Konflikten der Gegenwart zu entnehmen. Auch für sie gilt es den Ruf zu hören und der heißt: Jetzt  die beiderseitige Verheißung und die Abrahamskindschaft zu erkennen, anzuerkennen und zu würdigen. Mehr noch: daraus die gemeinsam zu suchenden Konsequenzen ziehen!
Was heißt das, wenn mitten in der Bedrohung durch wilde Nachbarstämme bzw. Völker daran erinnert wird, dass auch den Feinden Israels in der Gestalt der Ismaelverheißung nach Gottes Willen ein Lebensrecht und ein Lebensort (Brunnen des lebendigen Gottes, der mich sieht) zugesprochen wird!?
In der Tat, damit wird den von Ihnen angesprochenen Versuchen "seinen Wegen eine eigenmächtige Wendung zu geben" widersprochen, aber eben nicht nur für die hístorischen oder literarischen Individuen, sondern auch für die sich von ihnen her konstituierenden und bis heute aus sie berufenden Gruppen.  
Die Stoßrichtung des Textes, von der Sie sprechen, ist so für mich nicht einmal strittig, aber Ihr Stoß holt nicht weit genug aus und verfehlt so m.E. das Ziel. 

Es ist doch so, dass die Geschichte Gen. 16ff. und ihre Protagonisten nicht nur für Christen und nicht nur für Juden, sondern auch für Muslime eine besondere Bedeutung haben!
Da tut es mir weh, wenn heute  in einer Zeit großer Spannungen bei der Auslegung einer solchen Geschichte nicht auch an die "Anderen" gedacht wird.
Der gerade wieder sehr umstrittene Navid Kermani hat auf dem Kirchentag vor 8 Jahren gefordert:
christliche Lehrer sollen an islamischen Hochschulen islamische Theologie und islamische Lehrer an evang. und kath. Fakultäten christliche Theologie lehren!
Das beschäftigt mich seither und ich gebe ihm Recht. Ich will in meinem kleinen Teil "das Andere" und "die Anderen" soweit wie irgend möglich mitdenken und wenn ich das tue, dann begegnet mir dieser Text in einem anderen Licht. 

Dass ich also (oder andere) mit einer solchen Perspektive etwas an den Text herantragen würde, was in ihm selbst und in seiner Rezeption nicht angelegt wäre, kann ich nun wirklich nicht erkennen.

Ich habe Ihre Antwort an die verantwortliche Redakteurín der Offenen Kirche Württemberg weitergeleitet und gehe davon aus, dass sie dort aufgenommen wird.  

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Eberhard Braun


Am 14.06.2009  schrieb Robert Leicht

Sehr geehrter Herr Braun,

ja, so ist das, wenn man unterschiedlicher Ansicht ist und vermeint, dies aus sachlichen Gründen belegen zu müssen. Ihre Replik, für die ich gleichwohl sehr danke, weil sie sachliche Klärungen erleichtert, erinnert mich aber doch an den amerikanisch-englischen Sinnspruch: If you are in a hole - stop digging! Wenn sie schon sachlich in ein Loch gefallen sind, graben sie bitte nicht weiter. Auch unter Beihilfe von Eideszeugen, die - bei allem Respekt - hier entweder nur Allgemeinheiten verbreiten (die hart an die Forderung grenzen "Brüder, vertragt euch doch untereinander"  oder - wie sogar der eminente Herr Ebach - geradeheaus irren - jedenfalls in Bezug auf den hier zu diskutierenden Genesis-Text. Ebach also sagt: "Das Land gehört Abrahams Nachkommen - nicht weniger und nicht mehr. Die Verheißung an Isma'el bedeutet, dass auch der Außenseiter ein Lebensrecht hat und ein Recht, in seiner Weise zu leben." Diese Ansicht mag er gerne privat haben - der hier einschlägige Text sagt gerade das nicht, sondern stracks das Gegenteil, man  mag es beklagen oder nicht. Wie folgt. Sowohl Abram als auch Hagar wird ein Mehrungssegen zuteil, eine Landverheißung indessen nur Abram - aus heutiger Sicht und politischer Problemlage wäre allerdings hinzuzufügen: Ohne territoriale Lokalisierung und Umfangsbestimmung! Wenn nun Ebach sagt: Alle Nachkommen Abrams seien Erben, so sagt Gen 21:10 ff , man mag das beklagen, aus dem Munde Saras - mit ausdrücklichen Indossament (V. 12) Gottes - dass Hagars Sohn eben nicht erben soll:
10 Da sprach sie zu Abraham: Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohn; denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak. 11 Das Wort mißfiel Abraham sehr um seines Sohnes willen. 12 Aber Gott sprach zu ihm: Laß es dir nicht mißfallen wegen des Knaben und der Magd. Alles, was Sara dir gesagt hat, dem gehorche; denn nur nach Isaak soll dein Geschlecht benannt werden.

Diese Sätze mag man als skandalös empfinden - aber kann eben nicht mit dem zitierten Satz Ebach wie mit einem Federwisch darüber hinwegfegen. Oder man muss eben so auslegen, dass man sagt: Wenn die Bibel irrt, um so schlimmer für die  Bibel. Und das erinnert an das Spottwort Odo Marquards, das mir neulich ein Freund mitteilte: Hermeneutik ist die Kunst, in einen Text hineinzulegen, was nicht drin steht.

In Bezug auf die prinzipielle Toleranz zwischen den Religionen brauchen wir uns im Allgemeinen nicht zu veruneinigen - im Konkreten aber hilft die allzu billige Formel von den drei abrahamitischen Religionen keinen Schritt weiter, sondern sie eröffnet den eigentlich notwendigen Disput; schließlich stammten auch die "Deutschen Christen" irgendwie von Abraham ab, ob sie (oder wir) es wollten oder nicht. Das Gespräch zwischen Christen und Islam (sei's drum: Ismaeliten) ist jedenfalls - sachlich, theologisch, politisch, historisch -schon etwas anderes als das Gespräch zwischen Juden und Christen; und für das Gespräch zwischen Juden und Muslimen haben wir Christen keine Weisheiten zu liefern. Aber in jedem inter-religiösen Gespräch können die Fragen nach der Lebenspraxis nicht ausgeblendet werden und die Gespräche zwischen Männern sind noch etwas anderes als die authentischen Formulierungen der Fragen der Frauen, wenn sie im Islam den Männern - aufs Ganze des Islam gesehen - überhaupt aus eigenem Recht kritische Fragen stellen dürfen; das nur nebenbei... Ich will damit nur sagen: Die Formel von den drei abrahamitischen  Religionen hilft uns im Konkreten nicht weiter und stellt in diesem Dreiergespräch auch keinen Bonus auf die Duldung autoritär-menschenrechtswidriger Herrschafts - und Familienpraktiken dar. Und deswegen helfen mir die von Ihnen dargebotenen Zitate konkret einfach nicht weiter. Konkrete Handlungsanleitungen, die aus Gen 16, 1- 16 zu gewinnen wäre, und darum geht es ja im Kern, stützten sie ohnehin nicht - quod erat demonstrandum - s.o.

Nein, sehr geehrter Herr Braun, gerade ihre Replik vestärkt mich in meiner Verpflichtung, Texte genau so zu lesen, wie sie dastehen - und mich nicht einer vorweg gestellten political correctness zu unterwerfen, selbst wenn  ich die darin verborgenen politischen Ansichten rein als solche politisch zu teilen bereit bin.- Aber nicht so wie ich will, sondern wie du willst...

Mit schönen Grüßen zu diesem Sonntag

Ihr Robert Leicht 

am 16. Juni schrieb eb

Sehr geehrter Herr Leicht,
die Frage ist ja, wer da in welchem Loch sitzt?

Erlauben Sie, dass ich noch einmal mit Hilfe von "Eideszeugen" antworte:

1. Leo Baeck, der große Rabbiner 1948 (sic!): "Der Islam ist nicht von einem Manne, der ein Jude war ... gestiftet worden, von einem Manne vielmehr aus einem Volke, das sich als Brudervolk der Juden oft betrachtet hat, aus dem arabischen Volke, das von Ismael, dem Sohne Abrahams, herkommt, wie das jüdische Volk von Isaak, dem Sohne Abrahams....So ist es begreiflich, dass im Mittelalter Juden und Mohammedaner, einander gebend und voneinander empfangend, nebeneinander friedlich im Bewußtsein einer Zusammengehörigkeit gelebt haben."  (zit. n. K-J. Kuschel, Juden, Christen, Muslime, Düsseldorf 2007, S.51).

Das ist die Spur, auf die der Text, nicht ausschließlich, aber auch setzt!

2. Claus Westermann zu der von Ihnen genannten Stelle Gen 21, 10:  "Durch die Vertreibung Ismaels wird das Volk, das seinen Vater Abraham nennt, auf die eine Linie, die Nachkommen Isaaks begrenzt. Die besondere Geschichte dieses Volkes erfordert die Sonderung von dem Sohn der Magd, die Gott selbst geboten hat. Aber der Segen Gottes geht auch an Ismael. Er soll ein großes Volk werden. Hier wird im Gegensatz zu dem Freund-Feind-Denken an einer Verwandtschaft Israels mit anderen Völkern aus der Frühzeit festgehalten. Der Vater Abraham hat trotz der Betonung der einen legitimen Isaak-Linie eine zu anderen Völkern überbrückende Bedeutung. (C.Westermann, Genesis, Bd.II, 1989, S.420)

3. Thomas Naumann: "In einer theologischen Perspektive allerdings wird man feststellen müssen: Wenn der arabische Prophet Mohammed und die muslimische Gemeinschaft...die Ismaelverheißungen als für sich geltend reklamiert und sich in die Gemeinschaft Abrahams unter den Segen des Gottes Abrahams stellt, dann geschieht das in einem durch die Thora selbst ermöglichten Sinn. Und es gereicht der christlichen Kirche nicht zur Ehre, dies nie gesehen zu haben." (nach Kuschel, a.a.O. S. 589).

Ich will Teil einer christlichen Kirche sein, die es sieht.
Ich erlebe zu viele, die vehement und leidenschaftlich bestreiten, dass der Gott der Bibel des Alten und des Neuen Testaments und der Gott des Koran überhaupt nur irgend etwas miteinander gemein haben.

4. Karl-Josef Kuschel, dessen Arbeit für die Wahrnehmung einer "abrahamitischen Ökumene" wohl, wenn ich Ihre Spitzen richtig deute, bei Ihnen keine Gnade findet, hat in seinem genannten Buch ab S. 581 zu Gen. 16ff wichtige Aspekte herausgearbeitet:

Seine Thesen:
- Dass Ismael auf die Welt kommen kann, ist ausdrücklich nicht des Menschen (der Eltern), sondern Gottes Wille.

- Der Bewahrung Isaaks vor der Opferung entspricht die Errettung Ismaels vor dem Tod in der Wüste. Womit Israel durch die Tora-Überlieferung dieser Geschichte zum Ausdruck gebracht hat: Gottes Gnade ist nicht exclusiv auf die Linie Isaak-Jakob/Israel beschränkt, sie umfasst auch den anderen Abrahamssohn.

- Gottes Segen über Abraham setzt sich nicht nur in Isaak/Israel fort, sondern auch in de verstoßenen Ismael und dessen Nachkommenschaft. Dass es sie trotz aller Beseitigungspläne von Sara und Abraham gibt, ist Ausdruck von Gottes Willen.

vgl.a. Gen 25, 12-18: Da werden die 12 Söhne Ismaels (sic!) und das Land genannt: Sie wohnten von Hawila an bis nach Schur östlich von Ägypten nach Assyrien hin.

Ihre Bemerkungen zu den "Deutschen Christen" (als ob es um  Abstammungslehren ginge) und zum vermeintlichen "Bonus auf die Duldung autoritär-menschenrechtswidriger Herrschafts - und Familienpraktiken", (als ob es um Rechtfertigung von Ansichten und Verhaltensweisen ginge), kann ich eigentlich nur als scharfe Abwehr verstehen: Mit solchen Leuten gibt es keine gemeinsame Basis, allenfalls eine allgemeine Toleranz!

Im übrigens will ich am Ende dieses Gesprächs klarstellen: Meine Kritik zielte nicht darauf, dass Sie in ihrer Bibelarbeit "konkrete Handlungsanleitungen, die aus Gen 16, 1- 16 zu gewinnen wären", nicht genannt haben. Meine Kritik zielte darauf, dass der ganze Horizont dieser Frage, das Thema an sich fehlte. Damit war m.E. der Text und seine Wirkungsgeschichte nicht im notwendigen Sinn aufgenommen.
Mir ist klar geworden, warum das fehlte. Ich habe verstanden und verstehs dennoch nicht!

Und so bleibe ich eben in meinem Loch sitzen, schaue mir die biblisch-jüdisch-christlich-koranisch-muslimischen Landschaften an, treibe mit meinen "Eideszeugen" jene "Hermeneutik ...(als)  die Kunst, in einen Text hineinzulegen, was nicht drin steht" und digge in meiner Verzweiflung weiter und tiefer, bis ich eines Tages vielleicht im Loch ersticke oder!? gar errettet werde durch eine Er"Leicht"ung, in der ich dann erkenne, dass ich nicht wollte, was Gott will, sondern wieder mal einer zeitgeistig-modischen political correctness auf den Leim gegangen bin.

Wer aber wird, so oder so -  und auf welcher Basis - jene Brücken bauen, die es möglich machen, dass Christen, "Juden und Mohammedaner, einander gebend und voneinander empfangend, nebeneinander friedlich im Bewußtsein einer Zusammengehörigkeit"(Leo Baeck, s.o.) leben?

Oder will Gott das gar nicht?!

Lassen wirs dabei bewenden. 
Ich wünsche Ihnen gute Gedanken und Kraft für Ihre vielfältigen Aufgaben

Ihr eb








Wichtiger Hinweis  
  Ab sofort gibt es Texte, Bilder, Zitate auf:

http://ebebraun.tumblr.com/
 
neu dazugekommen  
  Fridolin Stier: Jesus von Nazaret vor dem Bild des Christus (anderes..)

Link: Fridolin Stier - Gedicht Genesis (guck mal)

Predigt Oferdingen 30.10.2011 (predigten)

mit Karl Napf zu Matth. 20-Arbeiter im Weinberg (s. an-ein-aussprüche)

Predigt Pfullingen 16.10.2011

aktuelle Sprüche (s. unten)












 
aktuelle Sprüche  
  Systemfehler
Bei einer Veranstaltung für ältere Menschen in einer Schwarzwaldgemeinde waren auch die beiden Pfarrer des Dorfes anwesend. In der Pause fragte der Entertainer den katholischen Geistlichen, warum die Kirche sich moralisch fast ausschließlich auf den §218 konzentriere und zum Beispiel zur Lüge, die sich auch verheerend auswirke, nichts sage. Der Pfarrer stutzte eine Sekunde und erwiderte dann: "Gegen die Lüge kann man nichts machen, darauf beruht unser ganzes System." Napf erschrak über die Offenheit, da das Programm aber weiterging, konnte er nicht einmal fragen, welches System der Geistliche gemeint habe, das weltliche oder das religiöse oder gar beide.
Gefunden bei Karl Napf: (http://karlnapf.net/)



„Wo nicht der Mensch, sondern das zinstragende Kapital der Gegenstand ist, dessen Erhaltung und Mehrung der Sinn und das Ziel der politischen Ordnung ist, da ist der Automatismus schon im Gang, der eines Tages die Menschen zum Töten und Getötetwerden auf die Jagd schicken wird.“ (Karl Barth, Die kirchliche Dogmatik Band III/4, Zürich 1951, S. 525.)
 
Anleitung zu guck-mal (Links)  
  BesucherInnen unserer seite können guck-mals (Links) vorschlagen. Da freuen wir uns und prüfen, ob wir sie aufnehmen!

 
Heute waren schon 2 Besucher (6 Hits) hier!
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden